Gut Sex braucht Zeit
-Junge Männer & Frauen haben es beim Liebemachen oft eilig oder sie können sich nicht ungestört lieben. Guter Sex hat jedoch mit Zeit zu tun.
- Zu langsam zu sein könnte als zögerlich und unsicher verstanden werden,
- hingegen zielstrebig und effizient(!) heranzugehen scheint besonders wichtig.
- Möglicherweise ist es auch wichtig, alles was bisher über Internet Pornos verinnerlicht wurde zu "bieten" oder geboten zu bekommen.
- Und all das muss ablaufen, lange noch bevor eine stabilere Beziehung geschaffen ist - denn die würde ihrerseit wieder Zeit benötigen.
- Stabile Beziehung bedeutet jedoch sichere(re) Bindung, das mag unser "Lustsystem", denn dies bedeutet weniger Angst.
Als Erwachsene kommen zwei Menschen zusammen, die einen Quickie zwischen Zurück-vom-after-work-Einkauf und Beginn des TV Hauptabendprogramme "hinlegen" wollen, müssen, sollten, ... sonst sind Erwartungen / Pflichten / Selbstbilder / nicht erfüllt.
Endlich erwachsen, kann die gemeinsame sexuelle Zufriedenheit auch unter die Räder geraten, weil:
- nicht ausreichend Zeit genommen wird und zwei Leute noch angespannt vom Alltag auf einander treffen,
- die Entspanntheit als eine der wichtigsten Grundzutaten für guten Sex fehlt,
- weil die Partner bestimmte Bilder von sexueller Begegnung im Kopf haben, denen Sie sich (leider!) hingebungsvoll widmen, (das heißt sie schlafen mit einem Bild)
- anstatt Achtsamkeit für das JETZT empfinden können (kein Wunder: Zeitmangel, wenig Besinnung auf sich selbst, Kopf beschäftigt).
Falls es nicht so lustvoll abgeht ist das leichter zu ertragen, wenn's ebenso schnell wieder geschafft ist. Daraus kann eine ungünstige Dynamik (sprich schlechte Gewohnheit) entstehen. Was Angst oder andere unangenehme Gefühle (Scham,Unsicherheit, ...) macht, das bringen wir lieber rasch hinter uns. Die verinnerlichte Spannung macht sich beim nächsten Mal wieder bemerkbar, denn der Körper merkt sich das.
Frauenspezifisch
Zwischen Männern und Frauen gibt es den Unterschied, dass Frauen häufig eine "längere Auffahrt" Richtung sexueller Befriedigung nehmen müssen. Neurobiologisch hat es damit zu tun, dass erst Gefühle der Sicherheit / Geborgenheit / Bindung geschaffen sein sollen, dann breitet sich Erregung leichter aus. Es wird vermutet, dass entwicklungsgeschichtliche Gründe darunter liegen. Mit Chemie kann diese Grundeinstellung nicht beschleunigt werden und mit frigide hat dies absolut NICHTS zu tun. Im Übrigen gibt es genug Männer, die Gleiches berichten. Ohne gutes feeling geht nix.
Männerspezifisch
Aber auch Männer tun gut daran, entspannter an sexuelle Aktivitäten zu gehen. Eine Erektion bedeutet nicht gleich, dass Mann direkt in den "Rein-Raus-Mechanik-Modus" übergehen MUSS. Die Erektion ist EIN Zeichen der Erregung, jedoch nicht das EINZIGE. Welche kennen Sie noch? Besonders geht es um die Stimmung (bereit zu geben?), den Lusttropfen als das männliche Feuchtwerden, gesteigerte Durchblutung, Wärmegefühle im ganzen Körper, vermehrte sexuelle Phantasien etc. Will Mann mehr als nur eine reflektorische Erleichterung erleben, dann braucht auch Mann mehr Zeit.
Zeit können beide PartnerInnen gut gebrauchen.
Ein Bild dazu: Wenn Sie als Paar bei einer Wanderung ein unterschiedliches Gehtempo bemerken, werden Sie vermutlich auf einander warten. Gemeinsam pausieren, durchatmen und wieder losstarten. Eine Trinkpause machen, vielleicht bleiben Sie auch stehen, um den Ausblick zu genießen. Hoffentlich können Sie sich zwischendurch an der Zweisamkeit und der Ruhe um sich herum erfreuen. Was kann Ihnen dabei schon davonlaufen?
Mit dieser Idee begrüße ich Sie als BesucherInnen meines Blogs im Neuen Jahr 2016!
Liebe Grüsse,
Martin Geiger, MSc , Paar- und Sexualtherapeut
Literaturtipps
Sex und Achtsamkeit (Susanna-Sitari Rescio) Verlag jKamphausen
Slow sex (Diana Richardson) Verlag INTEGRAL