29 Jul 2020

Erschöpfungsgefahr

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Bild. Wald,  Foto von Elias Tigiser von PexelsEin Erschöpfungszustand fällt nicht vom Himmel - das werden Sie vermutlich auch so sehen. Und doch sind Menschen völlig verblüfft, wenn sie nach langen Phasen der psychischen Anstrengung unerklärliche Zustände mit sich erleben. Speziell wenn Angst/Panik auftritt, weil das unübersehbar ist.

Eine andere Gruppe macht sich Sorgen, wenn im Bekanntenkreis jemand von "seinem" Burnout berichtet oder wenn in Medien darüber gehäuft berichtet wird. Für Therapie Erfahrene hingegen ist es weniger überraschend, weil die Beschäftigung mit sich und den eigenen Gefühlen bereits vertraut ist.

Verbeugung, wenn Sie lieber Vorbeugen wollen!

Eine erste Idee zur Verhinderung von Erschöpfung könnte daher sein, sich mehr mit dem eigenen Innenleben zu beschäftigen. Wie gehts mir heute, in der letzten Zeit und überhaupt? Läuft mein Leben so, wie ich es mir vorgestellt habe? Was sagt mein Körper zu dem ganzen? Schlafe ich genug? Bewege ich mich ausreichend? Habe ich Abwechslung im Leben? Scheinbar banale Fragestellungen, wie aus einem  bunten life-style Magazin. Alles mit Nein beantwortet?

  • Habe ich Anstrengung im Leben (wer hat das nicht),
  • geht es für mich bereits zu lange und vor allem mit zuviel Anspannung dahin?
  • Ist Anerkennung und Wahrgenommenwerden ein Mangelthema für mich? Bis daher wiederum mit Ja, ja geantwortet?

Wie geht es mir in meiner Liebesbeziehung? Habe ich noch Lust auf Sex? Ein starkes Warnlicht. Sex, Lebensfreude, Neugier, Kreativität, Spielfreude, Besinnung, Ruhephasen, Kultur, Tanzen und Bewegung?


In der psychotherapeutischen Praxis finden sich Menschen, die es lernen wollen, mit sich und ihren Gefühlen vertrauter zu werden. Denn viele Störungen resultieren aus emotionalen Erfahrungen, die nicht erkannt oder benannt werden konnten. Aus fehlenden, aus unpassenden oder verletzenden Erfahrungen. Und wie schwer ist es zusätzlich, wenn es dazu keine Worte gibt.

Stellen Sie sich folgende Szene in einem Gasthaus vor: Sie haben großen Hunger auf etwas spezielles Wichtiges (das noch dazu wichtig für Ihre Gesundheit wäre), wissen aber nicht, wie Sie es ausdrücken können. Niemand versteht Ihre Sprache, Sie selbst auch nicht. Nun erhalten Sie das serviert, was der Kellner gerade noch in der Küche gefunden hat oder was er selbst gerne isst. So war für viele später seelisch Erkrankte die frühe emotionale Lebenssituation.

Bekommen was übrig ist oder was andere über mich bestimmt haben.

Und nicht das, was ich wirklich gebraucht habe.

Wenn so der Alltag im Leben eines aufwachsenden Menschen ausgesehen hat war ist es kein Wunder, dass er/sie sich schützen lernen musste.

  • Ich brauch' nicht viel, ich bekomme sowieso nicht das, was ich brauche (Depression);
  • eigene Wünsche zu haben bringt nur Schwierigkeiten - bin nie sicher ob ich morgen noch etwas bekomme (Angst)
  • ich muss mich lautstark bemerkbar machen oder trickreicher werden - sonst wird das nichts (Persönlichkeitsstörungen)

 

Eine unzureichende emotionale Versorgung ist schließlich auch eine Gefährdung für alles, was mit SELBST beginnt: Selbstbewusstsein, Selbstsicherheit, Selbstgefühl, Selbstfürsorge (kennen Sie dieses Wort?) Das Selbst nicht mehr zu spüren, das kann passieren, wenn die Verbindung dahin bereits in der Anfängen nicht stark genug war. Aber auch dadurch, dass Menschen sich in der pausenlosen Anspannung zunehmends verhärten. Zum Schutz für sich eine dicke Haut erwerben. Gewohnheitsmäßig über die eigenen Grenzen treten und treten lassen. Hornhaut auf der Seele. Da besteht große Gefahr zur Erschöpfung.

Ich wünsche Ihnen rechtzeitige Erkenntnis statt Erschöpfung..

All the best im Herbst,

Martin Geiger, Psychotherapeut