Verletzung durch Affäre
-Es gehört zu den Klassikern in der Paartherapie, daß nach einigen Verlegenheitsworten die Tatsache auf den Tisch kommt: ER oder SIE hatte eine Außenbeziehung. Jetzt ist Feuer am Dach, alles Aufgebaute der letzten Jahre oft in Frage gestellt, Schmerz, Wut.
Basis für meine folgenden Anregungen ist es, dass beide überwiegend überzeugt sind, die Beziehung erhalten zu wollen. Wegen der Verletzungen besteht klarerweise Verunsicherung, daher gehört auch Mut dazu.
An die VerursacherInnenseite
Soll die Verletzung wieder gut verheilen, so will die eindeutige Beendigung der Affäre als Erstes sichergestellt sein. Unmissverständlich. Es macht einen sehr wichtigen Unterschied ob es „hatte“ oder „hat eine Außenbeziehung“ heißt. Das ist oft keineswegs sicher oder wird ständig angezweifelt. Beenden wie? Durch eine E-Mail, eine klare Aussprache, ein nachvollziehbares Beenden des nahen Kontaktes so ferne es nicht eine Arbeitskollegin/kollege war, was die Sache erschwert. (Never f*** the work)
Als Affairen „Täter oder Täterin“ forschen Sie bitte selbständig nach ihrer Motivation zum Seitensprung und erklären Sie sich. Das kann Arbeit für eine Therapie sein. Was war Ihre Not, was konnten Sie nicht anders finden, was wollten Sie damit auslösen? Reden Sie von sich aus darüber. IhrE PartnerIn hat ein Recht auf dies Informationen. Und zwar nicht auf die Details im Bett und auf äußerliche Merkmale, sondern auf Ihre Hintergründe.
Überlegen Sie insbesondere, welches emotionale Gewicht die Affäre für Sie hatte.
War es reine Erotik, eine Spielerei die entglitten ist, längere Pläne, lange Geheimhaltung, selbst beendet oder durch „Ungeschicklichkeit“ entdeckt etc. Drehen Sie dabei den Spieß nicht um, indem Sie den Fehltritt sogleich mit einem Mangel in der Beziehung begründen. Trennen Sie diese wichtigen Themen.
Wie können Sie das verlorene Vertrauen wiederaufbauen? Überlegen Sie eigenständig, was Ihnen wichtig erscheint und versuchen Sie es in der Praxis umzusetzen. Insbesondere braucht der/die Verletzte ab nun die Sicherheit, dass Sie zu Ihm/ihr stehen. Das drückt sich oft in vielen alltäglichen Situationen aus. Achten Sie daher ab jetzt besonders darauf, dass Sie Vereinbarungen (auch wenn Sie Ihnen unbedeutend erscheinen) absolut verlässlich einhalten. Sollte der/die AffärenpartnerIn sich wieder melden, bereden sie es mit ihrer PartnerIn, löschen Sie keine Kontaktversuche, sondern legen Sie es offen und überlegen Maßnahmen der klaren Abgrenzung.
Gehen Sie aktiv auf den Partner zu, reden Sie, erklären Sie sich, bitten Sie um Entschuldigung und halten Sie dem Schmerz, der Ihnen begegnen wird stand. Übernehmen Sie die Verantwortung dafür und versuchen Sie den verletzten Gefühlen so gut es geht standzuhalten. Jedoch nicht unbegrenzt.
An die Verletztenseite
In der momentanen Lage ist Selbstfürsorge besonders wichtig. Machen Sie die Heilung von dem zugefügten Schmerz nicht ausschließlich vom Verursacher abhängig. Aktivieren Sie ihr soziales Atom, den Freundes- und Helferkreis, alle Ihre Ressourcen wie z.B. liebgewonnene Hobbies, verreisen Sie für ein paar Tage Auch die therapeutische Begleitung darf dazu gehören.
Zügeln Sie Ihre Neugier und verlangen Sie nicht nach mehr intimen Details, das macht den Schmerz noch größer. Hier droht Selbstverletzungsgefahr, mehr Info = mehr Schmerz.
Fordern Sie jedoch einen eindeutigen Einblick in die Bedeutung der Affäre. Vereinbaren Sie das Recht auf Gespräche, wann immer in Ihnen das Thema auftaucht. Hilfreich wird sein, in diesen Gesprächen von Ihren eigenen Gefühlen zu sprechen – nicht endlos die Anklage zu erheben.
Vorsicht mit Kontrollwünschen, diese schaffen kein Vertrauen, sondern befeuern oft die Wiederholungsängste. Sie unterstellen damit, dass sich ohne Ihren kontrollierenden Zugriff alles wiederholen würde und damit, dass ihr Partner unverbesserlich ist. Er oder sie bemüht sich aber gerade, etwas anders zu machen.
Nehmen Sie eine ehrlich gemeinte Entschuldigung, wenn möglich an. Prüfen Sie, ob es bereits passt. Sagen Sie Bescheid, wenn es dafür noch zu früh ist.
Respektieren Sie die Grenzen des verursachenden Partners. Es hat ein Leben vor der Affäre gegeben und es wird danach eines geben. Vorsätzliche Verletzungen (z.B. aus Rache) in der jetzigen Situation belasten die Beziehung weiterhin. Als Verletzte/r haben Sie nicht das unbegrenzte Recht zum Wiederverletzen und Strafen des/der VerursacherIn, es lindert nur scheinbar Ihren eigenen Schmerz.
Lassen Sie sich Zeit zu trauern. Heilung braucht Zeit. Überspielen Sie es nicht dem Partner zuliebe. Wenn Schmerz wieder aufflammt, benennen Sie es und pflegen sich dann. Achten Sie auf körperliche Symptome, Träume, auf Grenzen in Ihrer Sexualität, Distanzbedürfnisse, Zeit für sich.
Geben Sie dem verursachenden PartnerIn die Möglichkeit einer „Wiedergutmachung“, was kann er/sie Gutes tun, was kann getan werden, dass es langsam wieder gut wird? Was tut Ihnen im Sinne der Heilung jetzt gut? Es liegt in Ihrer Verantwortung, dies zu äußern und den|die VerursacherIn nicht „zappeln“ oder raten zu lassen.
Vielleicht kommt der Zeitpunkt, dass Sie die Affäre als „Unfall für beide“ betrachten können, aus dem Sie gemeinsam etwas (Positives) lernen werden, was Ihnen derzeit noch nicht bekannt sein kann. Im Vordergrund steht erst der Schmerz. Später können vielleicht folgende neue Aspekte kommen: neuer Umgang mit Bedürfnissen, aktiv Beziehung leben, besseres Aufteilen von Zeit und gemeinsamen Ressourcen, Entwickeln von Offenheit, Ansprechen, Grenzen beachten, … und vieles mehr.)
Gutes Gelingen,
wünscht Ihnen M.Geiger, Psychotherapeut
Buchtipps:
U. Clement: Wenn Liebe fremdgeht
J.Gottmann: Vermessung der Liebe